Der 126. Deutsche Ärztetag (DÄT) fordert die Erweiterung und Stärkung der rehabilitativen Strukturen im Gesundheitswesen sowie im Sozialraum. Der Beschluss des DÄT 2022 benennt Rehabilitation explizit als Kernaufgabe ärztlichen Handelns und fordert die flächendeckende Etablierung von mobiler aufsuchender Rehabilitation.
Beschluss:
Auf Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer (Drucksache Ic – 01) beschließt der 126. Deutsche Ärztetag 2022:
Die Rehabilitation ist neben der Prävention, der Kuration und der Palliation eine von vier zentralen Gesundheitsstrategien. Somit ist sie auch eine Kernaufgabe ärztlichen Handelns. Es müssen tragfähige Strukturen auf unterschiedlichen Ebenen aufgebaut werden, um effektiv Menschen mit Fähigkeitseinbußen zur Teilhabe unterstützen zu können. So ist die verfrühte Entlassung von Patientinnen und Patienten aus Kurzzeitpflegeeinrichtungen in die rehabilitationsmedizinisch unterversorgte Häuslichkeit die Regel. Dadurch wird vorhandenes Rehabilitationspotenzial nicht genutzt und das Langzeitergebnis wesentlich beeinträchtigt. Der 126. Deutsche Ärztetag 2022 erkennt folgerichtig das Potenzial der mobilen/ambulanten Rehabilitation und fordert die Selbstverwaltung auf, folgende Maßnahmen zu fördern:
- Flächendeckende Etablierung von mobiler aufsuchender Rehabilitation
- Bereitstellung von Rehabilitationskompetenz zur Unterstützung der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bei der Abklärung komplexer Aufgabenstellungen
- Integration von rehabilitationskundigen Ärztinnen und Ärzten in ambulanten medizinischen und sozialen Netzwerken
- Stärkung von Konzepten der Langzeitrehabilitation mit adäquater Finanzierung
Begründung:
Die rehabilitative Behandlung von Patientinnen und Patienten mit sehr komplexen Krankheitsbildern und Funktionsstörungen ist oft umfangreich, zeitaufwendig und geht häufig über die Möglichkeiten und Aufgaben der Krankenbehandlung in der Akutversorgung hinaus. Im Hinblick auf die Erhaltung und Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit und der Teilhabe kann es zu Fehl- und Unterversorgung kommen, wenn die Möglichkeiten der Rehabilitationsmedizin nicht schon in der Akutversorgung genutzt und dann in der weiterführenden Rehabilitation nicht hinreichend zur Anwendung kommen. Die medizinische Versorgung sowohl im Krankenhausbereich als auch in der ambulanten Versorgung ist wesentlich auf die Akutbehandlung ausgerichtet. Für eine umfassend zielorientierte Versorgung und Begleitung im Genesungsprozess sind rehabilitative Konzepte jedoch in jeder Krankheitsphase wichtig. Die medizinische Rehabilitation als sektorenübergreifendes komplexes Behandlungskonzept, wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert, ist im deutschen Gesundheitswesen strukturell lückenhaft und sollte deshalb weiterentwickelt werden.
Obwohl der Bedarf an aufsuchender Rehabilitation für bestimmte Patientengruppen inzwischen unbestritten ist und die mobile (aufsuchende) Rehabilitation eine gesetzliche Grundlage in § 40 SGB V aufweist und dazu Rahmenempfehlungen durch die Krankenkassen vorliegen, erfolgt der Ausbau dieser Rehabilitationsform außerordentlich schleppend. Für Patientinnen und Patienten, die für eine ambulante oder stationäre Rehabilitation nicht oder noch nicht in Betracht kommen bzw. bei denen sich ein Rehabilitationserfolg am ehesten in der eigenen Häuslichkeit erreichen lässt, braucht es spezielle ambulante Angebote. Dies gilt insbesondere auch für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und Einrichtungen der Behindertenhilfe, für die der Aufbau und die Weiterentwicklung der Medizinischen Zentren für Erwachsene mit geistigen oder schweren Behinderungen (MZEB) (vgl. Beschluss des 125. Deutschen Ärztetages 2021) sowie der Ausbau der Sozialpädiatrischen Zentren (vgl. Beschluss des 125. Deutschen Ärztetages) eine wichtige Unterstützung wären.
Insgesamt gesehen, sind Rehabilitationskompetenzen sowohl im vertragsärztlichen Bereich als auch durch Rehabilitationseinrichtungen und Dienste im Sozialraum zu entwickeln bzw. zu nutzen. Die Rehabilitationsangebote müssen in Form und Inhalt flexibler werden und auch indikationsübergreifend aufgestellt sein, um den Bedarf bei Multimorbidität zu decken. Es fehlen zudem Strukturen und Finanzierungsmodelle für die wohnortnahe rehabilitative Langzeitversorgung. Diese Modelle gilt es nun z. B. über ambulant zu erbringende Komplexleistungen zu entwickeln.
(Quelle: 126. Deutscher Ärztetag, Bremen 2022 – Beschlussprotokoll, Seite 181-182 >>)
![download pdf](/wp-content/uploads/2015/11/pdf.png)
Ärztetags-Ds Nr. 1c – 01 (2022) Beschluss Reha-Strukturen im Gesundheitswesen und Sozialraum
Download