Veranstaltungsbericht: Symposium Mobile Rehabilitation 2023

Das Symposium am 5. Mai 2023 in Berlin befasste sich mit der mobilen Rehabilitation (MoRe) als wesentichen Baustein bedarfsgerechter Rehabilitationsstrukturen. Bei der sehr gut besuchten Veranstaltung wurden politische Perspektiven, internationale Konzepte, MoRe-Bedarfe für verschiedene Zielgruppen sowie Aktivitäten und Hemmnisse bei MoRe-Gründungen erörtert.

Zum MoRe-Symposium 2023 hatten die BAG Mobile Rehabilitation, die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) und die Diakonie Deutschland gemeinsam eingeladen.

Politische Perspektive

Zum Auftakt unterstrich Kordula Schulz-Asche (MdB), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestags und Sprecherin für Pflege und Senioren der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Bedeutung der mobilen Rehabilitation im Zusammenhang mit der wachsenden Zahl der älteren und pflegebedürftigen Menschen, die auf eine ganzheitliche medizinisch-rehabilitative, pflegerische und soziale Versorgung angewiesen sind. Es sei unabdingbar, ambulante zugehende Versorgungsansätze auch außerhalb der hausärztlichen Versorgung zu etablieren sowie die koordinierte Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitssystem auszubauen. Mobile Rehabilitation leiste hier einen sehr wichtigen Beitrag.

In der anschließenden Diskussion wurden der Fachkräftemangel und Möglichkeiten der Digitalisierung angesprochen. Digitalisierung könne den notwendigen direkten Kontakt zu Patient*innen nicht ersetzen, binde oft auch wertvolle Zeitressourcen zulasten der Patientenbetreuung und die Entwicklungen seien oftmals zu technikgetrieben. Sinnvolle technische Lösungen sollten deshalb auf der Grundlage identifizierter Versorgungsprobleme entwickelt werden. Aufgabe der medizinischen Fachgesellschaften sei es, Standards für digitale Anwendungen zu vereinbaren, die die Bedarfe der Patient*innen und der Angehörigen in den Blick nehmen. Auch bei der fachlichen Arbeit der Teams sind Zieldefinitionen für die Digitalisierung notwendig, z. B. für Arbeitserleichterungen, Bürokratieabbau, Kommunikation und Beratung.

Konzepte der zugehenden (mobilen) Rehabilitation im internationalen Vergleich

Prof. Dr. Christoph Gutenbrunner, President elect of Rehabilitation International, berichtete über Konzepte der zugehenden (mobilen) Rehabilitation im internationalen Vergleich (s. Download). Zugehende Versorgungsansätze gibt es in vielen Ländern, sie lassen sich aber mangels internationaler Standardisierung und einheitlicher Begrifflichkeit der mobilen Rehabilitation kaum vergleichen. Ansatzweise existierende wissenschaftliche Studien sind wegen der Heterogenität der Interventionskonzepte schwer zu interpretieren, sprechen aber insgesamt für eine gute Wirksamkeit der mobilen Rehabilitation.
Dokumente der UN und der WHO geben Ziele für den Rehabilitationsbereich vor, u.a. die uneingeschränkte Zugänglichkeit zur Rehabilitation für alle Personen mit Rehabedarf. Dabei leistet mobile Rehabilitation einen bedeutenden Beitrag und sollte insbesondere für Menschen mit schweren- und Mehrfachbehinderungen sowie mit Pflegebedarf weiter ausgebaut werden. Internationalen Fachgesellschaften wird empfohlen, eine einheitliche Terminologie bzw. die Definition von Qualitätsstandards zur mobilen Rehabilitation voranbringen und die Forschung ausbauen. Die WHO-Weltgesundheitskonferenz werde noch 2023 eine Resolution zur Rehabilitation verabschieden.
Im internationalen Vergleich zeige sich, dass die mobile Rehabilitation in Deutschland konzeptionell gut aufgestellt ist. Um den länderübergreifenden Austausch zu fördern, sollten die Konzepte und Erfahrungen aus Deutschland im Bereich MoRe als Diskussionspapiere auch international publiziert werden.

Mobile Rehabilitation: vom Bedarf bis zur Gründung

Die Diskussionsrunde zum Thema „Mobile Rehabilitation: vom Bedarf bis zur Gründung“, moderiert von Dr. Patrick Roigk, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, erörterte Probleme und Möglichkeiten der Bedarfsdeckung für bisher nicht rehabilitativ versorgte Personen. Dabei kam insbesondere die Verantwortung der Krankenkassen und die Rolle der Landkreise bei der gesundheitlichen Versorgung, aber auch das außerordentliche Engagement der MoRe-Gründer und deren Mitarbeitende zur Sprache.
Mit dem Hinweis auf das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPREG, 2020) und die Gemeinsamen Empfehlungen zur MoRe der Krankenkassen (2021) betonte Dr. Norbert Lübke, Kompetenz-Centrum Geriatrie, die guten Rahmenbedingungen für MoRe-Neugründungen. Dr. Irene Vorholz, Deutscher Landkreistag, wies auf die Probleme pflegebedürftiger Menschen hin, die – ganz überwiegend – zu Hause versorgt werden wollen, aber auch auf die Nichtzuständigkeit der Landkreise bei der Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung. Um Versorgungslücken zu schließen, müsse die Verzahnung stationärer und ambulanter Gesundheitsversorgung gelingen und die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Kommunen gestärkt werden. Über Erfahrungen bei Neugründungen bzw. Erweiterungen von MoRe-Angeboten berichteten Dr. Mai Aumüller-Nguyen, Salve MoRe Traunstein, und Dr. Christiane von Rothkirch, MoRe Bremen.
Zur Bedarfsdeckung bisher nicht rehabilitativ versorgter Personen werden ca. 300 – 400 MoRe-Einrichtungen bundesweit gebraucht und das ist nur mit einer zielgerichteten Förderung des MoRe-Ausbaus erreichbar. Die meisten MoRe-Einrichtungen gibt es in Bayern und dies zeigt, dass die dort gebotene Anschubfinanzierung für MoRe-Gründungen sehr hilfreich ist.

Perspektiven der MoRe in der psychiatrischen Versorgung

Anhand von Fallbeispielen erläuterte Andres Plieninger, Rudolf-Sophien-Stift Stuttgart, das noch junge Konzept der mobilen Reha in der psychiatrischen Versorgung, die im Rahmen des bundesweit ersten Forschungsprojekts RESET (Mobile medizinische Rehabilitation für seelische Gesundheit und Teilhabe) erprobt wurde (s. Download). Oft werde durch eine mobile psychiatrische MoRe erst eine stationäre Reha – mit Blick auf die berufliche Wiedereingliederung – ermöglicht. Für die Rehabilitand*innen ist die Einbeziehung des häuslichen und familiären Umfelds von besonderer Bedeutung für Compliance und Genesung. Derzeit werde mit den Krankenkassen über eine Verstetigung des Angebots verhandelt. Diese erste mobile medizinische Rehabilitation für Menschen mit psychischer Erkrankung schließt eine Versorgungslücke im psychiatrischen Bereich und sollte Beispiel sein für die Schaffung weiterer Angebote bundesweit.

MoRe bei der rehabilitativen Versorgung von Menschen mit Demenz

Kognitve bzw. demenzbedingte Beeinträchtigungen liegen bei über 75 Prozent der MoRe-Patienten vor. Sie gehen einher mit Problemen im Alltag und wirken sich auf Gesundheit, Funktionsfähigkeit und Teilhabe sowie auf die familiären und sozialen Beziehungen aus. Wie wichtig ein förderndes Umfeld gerade für Menschen mit Demenz ist, stellte Dr. Martin Warnach, BAG MoRe, in seinem Vortrag dar (s. Download). Bei der mobilen Rehabilitation für diesen Personenkreis stehen adaptive Strategien im Vordergrund. Unter Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen und der versorgenden Bezugspersonen werden im Rahmen der MoRe Lösungswege erarbeitet, um z.B. dysfunktionale Kommunikation, Überforderung im Alltag, Störungen des Tag-Nachtrhythmus und andere demenzbedingte Beeinträchtigungen zu verbessern. Während der MoRe im häuslichen Kontext werden zudem alltagsrelevante Empfehlungen für die weitere Betreuung und Versorgung entwickelt und an die Bezugspersonen bzw. betreuenden Dienste weitergegeben. Dies stützt die häusliche Versorgung und vermeidet ggfs. Heimunterbringungen.

Zum Abschluss des Symposiums dankte Dr. Rudolf Siegert, Vorsitzender der BAG MoRe, allen Referenten und Teilnehmenden für ihre Mitwirkung. Trotz überzeugender Konzepte und Erfahrungen bleibe die Schließung der großen noch vorhandenen Versorgungslücken bei der geriatrischen und der indikationsübergreifenden MoRe weiterhin eine Aufgabe, für die die BAG MoRe werbe und Unterstützung einfordere. Inzwischen gibt es bundesweit ca. 30 erfolgreich arbeitende MoRe-Teams, überwiegend im Bereich geriatrische MoRe. Weitere engagierte MoRe-Gründer sind herzlich willkommen. Die BAG MoRe unterstützt Neugründer und Mitglieder durch vielfältige Informationen und fördert den Austausch, u.a. durch die regelmäßig stattfindenden Gründerseminare, die allen Interessenten offenstehen.

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Gutenbrunner: Konzepte der MoRe im internationalen Vergleichsen und Sozialraum
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Plieninger: MoRe in der psychiatrischen Versorgung
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Warnach: MoRe bei Demenz
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