Mobile Rehabilitation als einen notwendigen Baustein in der rehabilitativen Versorgung weiterentwickeln!

Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation e. V. (BAG MoRe)

  1. Einleitung

Schwere akute und chronische Krankheiten und ihre Folgezustände können zu Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI und in Wechselwirkung mit den Kontextfaktoren auch zu Behinderungen im Sinne des § 2 SGB IX führen. Dies kann mit einem Bedarf an Rehabilitation verbunden sein. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass dieser Bedarf ansteigt. Es stellt sich deshalb die Frage, welche rehabilitativen Angebote für Menschen mit unterschiedlich ausgeprägten Einschränkungen am besten geeignet sind und welchen Stellenwert die mobile Rehabilitation in der rehabilitativen Versorgung dieser Menschen hat.

Mittlerweile besteht ein breiter Konsens, dass die mobile Rehabilitation (MoRe) ein notwendiger Baustein in der rehabilitativen Versorgung und für nicht wenige pflegebedürftige bzw. behinderte Menschen mit Reha-Bedarf das am besten geeignete, z. T. sogar das einzige geeignete Reha-Angebot darstellt. Im Kontrast dazu steht, dass sich die mobile Rehabilitation bisher nur an wenigen Standorten – vorwiegend für geriatrische Patienten – etablieren konnte. Obwohl sie gesetzlich den anderen Formen der Rehabilitation gleichgestellt ist, steht mobile Rehabilitation nicht flächendeckend zur Verfügung. Die Rahmenempfehlungen zur mobilen geriatrischen Rehabilitation sind vor mittlerweile 13 Jahren (2007) verabschiedet worden. Weder die Umsetzungshinweise/Übergangsregelungen zur mobilen geriatrischen Rehabilitation (MoGeRe) von 2010 noch die Eckpunkte zur mobilen indikationsspezifischen Rehabilitation von 2016, die die Etablierung und Umsetzung der mobilen Rehabilitation erleichtern sollten, haben erkennbar zu Neugründungen geführt.

Diese Situation ist der Anlass für einen Diskussionsprozess im GKV-Spitzenverband mit den Verbänden der Krankenkassen, begleitet vom MDS und dem Kompetenz-Centrum Geriatrie, Hamburg, aber auch innerhalb der BAG MoRe.

Nach unserem Verständnis sollte es vor allem um eine Förderung der Etablierung der mobilen Rehabilitation sowohl im geriatrischen und als auch im indikationsspezifischen Bereich gehen, damit dieses Versorgungsangebot von den Versicherten genutzt werden kann, für die die MoRe die am besten geeignete Versorgungsform ist. In diese Diskussion möchten wir als BAG MoRe wesentliche Aspekte und Hinweise einbringen. Dabei ist uns wichtig, vor dem Hintergrund grundlegender sozialpolitischer Weichenstellungen der letzten Jahre (u.a. UN-Behinderten-rechts-Konvention, BTHG, neuer Pflegebegriff) die gewachsene Bedeutung der MoRe für die bedarfsgerechte Versorgung hervorzuheben, die hauptsächlichen Hindernisse und Lösungswege für die Etablierung der MoRe sowie auch Möglichkeiten des erleichterten Zugangs zur MoRe aufzuzeigen. Wir bitten dabei um Verständnis, dass wir unsere Überlegungen hier in knapper Form unter Verzicht auf ausführliche Herleitungen darlegen.

  • Die Indikation für eine Mobile Rehabilitation ergibt sich aus der Ermittlung individueller Rehabilitationsbedarfe und nicht aufgrund eines Kataloges von „Indikationskriterien“

Das BTHG hat u.a. das Ziel, dass Leistungen der Rehabilitation verstärkt an den individuellen Bedarfen zur Förderung der Ziele nach § 4 SGB IX orientiert sein sollen. Dazu wurde die Bedarfsermittlung in § 13 SGB IX eigens normiert. Eine Beurteilung des Reha-Bedarfes und damit letztlich eine erfolgreiche Rehabilitation ist nur möglich, wenn über die Beurteilung der Schädigungen und Beeinträchtigungen hinaus der gesamte Kontext einbezogen wird. Das betrifft die person- und umweltbezogenen Faktoren (die jeweils fördernd und hemmend sein können), die sozialen und materiellen Ressourcen und nicht zuletzt die Vorstellungen, Wünsche, Einstellungen und Ziele der Betroffenen selbst. Im Rahmen der Bedarfsermittlung ist eine prognostische Aussage zu treffen, welche Ziele mit Leistungen zur Teilhabe individuell erreicht werden können, ob und inwieweit neben Restitution, Kompensation und Adaptation zum Tragen kommen. Erst wenn bei der Bedarfsermittlung all diese Aspekte berücksichtigt sind, kann die richtige Allokationsentscheidung getroffen werden. Die nachfolgende Leistungsentscheidung der Krankenkasse hat die Ergebnisse der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen.

Allgemeine, verbindliche und zugleich einschränkende Vorgaben für den Personenkreis für eine Reha-Form, wie sie die Rahmenempfehlung zur MoGeRe mit ihren Indikationskriterien gleichsam als Katalog vorsehen, sind rechtlich fragwürdig. Denn bei solchen allgemeinen Vorgaben können naturgemäß nicht die individuellen Konstellationen berücksichtigt werden, die nach der Bedarfsermittlung letztlich aber den Ausschlag für die geeignete Form der Reha geben. Ausschlusskriterien dürfen sich nur darauf beziehen, inwieweit zur Erreichung der Reha-Ziele eine MoRe nicht geeignet ist. Deshalb müssen die Indikationskriterien so offen formuliert sein, dass sie dem möglichen Ergebnis einer Bedarfsermittlung nicht entgegenstehen, sondern die jeweils „am besten geeignete“ Reha-Leistung gewählt werden kann. Dies ist bei der Neuformulierung von Rahmenempfehlungen zu berücksichtigen. Diese Überlegungen machen zugleich deutlich, dass hieraus eine Verpflichtung entsteht, eine bedarfsdeckende Versorgung flächendeckend sicherzustellen.

  • Die mobile Rehabilitation hat einen besonderen Stellenwert, wenn zur Verbesserung der sozialen Teilhabe Kompensation und Adaptation eine große oder vorrangige Bedeutung haben

Sowohl die Konzeption, als auch die Methodik und der Zugang zur Mobilen Rehabilitation sind aus Sicht der BAG MoRe weiterzuentwickeln. MoRe zielt in der Regel auf schwer und schwerstbetroffene Patienten mit erworbenen oder angeborenen komplexen Schädigungen und funktionellen Beeinträchtigungen, seien sie körperlich, kognitiv oder psychisch mental. Sie sind bzw. bleiben meist behindert und pflegebedürftig oder sind davon unmittelbar bedroht. Geriatrische Patienten/Rehabilitanden weisen aufgrund der typischen Multimorbidität eine besonders hohe Vulnerabilität auf. Jüngere Rehabilitanden der MoRe sind meist von neurologischen oder auch anderen schweren Krankheitsbildern betroffen, z.B. komplexen orthopädischen Schädigungen nach Polytrauma. Diese Schädigungen und Einschränkungen haben gravierende Auswirkungen auf die Aktivitäten und die selbstbestimmte Teilhabe dieser Menschen. Somit sollte die Weiterentwicklung der MoRe nicht auf die geriatrische Rehabilitation begrenzt werden, auch wenn sich dort die Mehrzahl der Rehabilitanden finden dürfte.

Wie jede Form der Rehabilitation strebt auch die MoRe eine möglichst weitgehende Restitution, d.h. die Wiederherstellung von geschädigten Strukturen und Funktionen an. Bei den meist schwer- und schwerstbetroffenen Rehabilitanden geht es jedoch um eine „Restitution ad optimum“, häufig mit eher begrenzten Verbesserungen auf der funktionellen Ebene (Selbständigkeit). Aber auch bei eingeschränkten Möglichkeiten der Restitution gilt es, dem Rehabilitanden mit weiter bestehenden Beeinträchtigungen Wege zu einer möglichst weitgehend selbstbestimmten Teilhabe zu eröffnen. Deshalb sind die Möglichkeiten der Kompensation (Ersatzstrategien bzw. Nutzung verbliebener Funktionen und Aktivitäten) und Adaptation (Anpassung der Umweltbedingungen) auszuschöpfen. Oftmals stehen für viele schwerstbetroffene Menschen Kompensation und vor allem Adaptation im Vordergrund. Bei der Bedarfsermittlung und bei der Indikationsstellung ist deshalb zu berücksichtigen, welche Strategien im jeweiligen Einzelfall zur Erreichung der formulierten Reha-Ziele erforderlich und geeignet sind. Auch bei der Gestaltung der Reha-Leistung selbst, sollten diese Aspekte systematisch Berücksichtigung finden.

Möglichkeiten der Adaptation und Anpassung von Kontextfaktoren können im Rahmen eines stationären oder ambulanten Reha-Settings nur begrenzt exploriert und oft nicht gezielt genug mitgestaltet werden. Gerade hierin liegt die besondere Stärke der MoRe. Sie ist in der Lage, gestützt auf ein gezieltes Assessment im unmittelbaren Umfeld, dem Rehabilitanden Wege zur Verbesserung der sozialen Teilhabe zu eröffnen. Für ältere Menschen ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung, da ihr Alltag zunehmend auf das häusliche Umfeld, sei es die Privatwohnung, ein betreutes Wohnen oder eine Pflegeeinrichtung eingegrenzt ist; bei jüngeren Menschen mit Behinderungen kann dies z.B. auch eine Behinderteneinrichtung sein. Selbst Zugewinne auf einer basalen Ebene – wie z.B. das Überwinden der Bettlägerigkeit und das Wiedererlangen der Teilnahme am familiären Leben durch ein sicheres, nicht belastendes Sitzen im Rollstuhl – sind ein großer Schritt zur Verbesserung der selbstbestimmten Teilhabe und der Lebensqualität.

Diese besonderen Möglichkeiten der MoRe und die damit verbundenen Chancen auf Teilhabe sind besonders herauszustellen.

  • Die Bedeutung der subjektiven Ziele in der Mobilen Rehabilitation

Für eine gelingende Rehabilitation ist es entscheidend, dass in der professionell erarbeiteten Reha-Zielsetzung die Ziele und Vorstellungen der Betroffenen berücksichtigt werden. Denn der Erfolg der Rehabilitation lässt sich im Wesentlichen daran messen, wie weit die subjektiven Ziele bzw. die subjektiv erlebte Teilhabe erreicht worden sind. Vor allem Menschen, die neu mit gravierenden Schädigungen, Beeinträchtigungen und bleibender Pflegebedürftigkeit/ Behinderung konfrontiert und dadurch auf ein verlässliches unterstützendes Umfeld angewiesen sind, haben oft große Schwierigkeiten, konkrete und realistische Ziele zu formulieren. Dies fällt ihnen umso schwerer, wenn sie sich für eine stationäre oder ambulante Rehabilitation entscheiden sollen. Sie können sich nicht vorstellen, wie die Maßnahmen dort bei der Bewältigung ihres Alltags helfen und ihre Lebenssituation verbessern sollten. Oft sind sie dann nur schwer für eine Rehabilitation zu motivieren. Diese Hindernisse bestehen bei einer mobilen Rehabilitation weitgehend nicht. In der vertrauten Umgebung fallen Transferprozesse weg. Subjektive Ziele, die gemeinsam mit den An- und Zugehörigen erarbeitet werden, ergeben sich unmittelbar aus den Gegebenheiten und dem Vollzug des Alltags und seinem sozialen Kontext. Deshalb ist die Chance der Verstetigung hoch. Dies belegen die empirischen Befunde zur Nachhaltigkeit der funktionellen Verbesserungen durch MoRe.

Ergebnisse u.a. der Bremer Studie (Janßen et al. 2019) zeigen, dass die MoRe von Pflegeheimbewohnern erfolgreich ist und zu deutlichen Teilhabeverbesserungen führen kann. Mit der Mobilen Rehabilitation ist den Bewohnern der stationären Pflege eine realistische und bedarfsgerechte Reha-Chance eröffnet worden. Nur so kann z. Zt. § 40 Abs. 1 S. 2 SGB V wirklich umgesetzt werden. Die Pflegeeinrichtung ist für ihre Bewohner ein sicherer Bezugspunkt, ein Ortswechsel ist mit vielfältigen Risiken verbunden, z.B. mit körperlicher und mentaler Dekompensation. Besteht ein Reha-Bedarf, ist das Reha-Ziel im Wesentlichen die Wiedergewinnung eines möglichst selbständigen und selbstbestimmten Lebens und die Verbesserung der Chancen zur Teilhabe in der Pflegeeinrichtung, aber auch außerhalb des Pflegeheims.

Mit ihrem Konzept erweist sich die MoRe als besonders geeignet, die Rehabilitation zu individualisieren und die Teilhabeförderung an der jeweiligen Lebenssituation auszurichten.

  • Die besondere Qualität der Mobilen Rehabilitation

Für die mobile Rehabilitation dieser Menschen bedarf es eines besonderen methodischen Herangehens und eines besonders qualifizierten multiprofessionellen Reha-Teams, das in der Lage ist, im Lebensumfeld der Rehabilitanden, d.h. unter therapiefernen Bedingungen, einen positiven, zielgerichteten interdisziplinären Reha-Prozess im Sinne der Teilhabeverbesserung zu gestalten. Dies gemeinsam mit den betroffenen Menschen umzusetzen, zeichnet die MoRe besonders aus. Wesentliche Elemente der MoRe sind:

  • Das Üben unter Alltagsbedingungen und mithilfe der vorliegenden Gegebenheiten, d.h. auch mit den Möglichkeiten und Limitierungen des Alltags des Rehabilitanden;
    • Kompensationsmöglichkeiten für verlorene Funktionen werden unter den Gegebenheiten und mit den Möglichkeiten des häuslichen Umfelds erarbeitet, trainiert und stabilisiert;
    • Adaptation und Anpassung von Kontextfaktoren kann unmittelbar angeregt und erarbeitet werden, z. B. Wohnraumanpassung, Anleitung der An- und Zugehörigen/Pflegenden, Kommunikationsstrategien bei fehlender Sprache;
    • Auswahl, Erprobung und Etablierung von Hilfsmitteln unter Einbezug des materiellen und sozialen Kontextes des Patienten; Beratung, Anleitung, Schulung der An- und Zugehörigen unmittelbar im Reha-Prozess;
    • In der Therapie erarbeitete Kompetenzen des Rehabilitanden und Unterstützungs-möglichkeiten durch mitbetreuende An- und Zugehörige werden – auch außerhalb der Therapien – unter den Herausforderungen des Alltags umgesetzt, gefördert und verstetigt;
    • Durch Anleitung/Einbeziehung der An- und Zugehörigen bzw. Pflegenden in den Reha-Prozess – oft verbunden mit positivem Lernprozess zur erleichterten Pflege-/Betreuungs-arbeit – werden soziale Netze gefördert und stabilisiert; ein die selbstbestimmte Teilhabe förderndes Versorgungsnetz wird hergestellt.

Diese besonderen (hier nur auszugsweise benannten) Qualitäten der MoRe sind bei der Reha-Bedarfsermittlung mit zu bedenken und, wenn sie im Einzelfall zur Erreichung der Reha-Ziele gefordert sind, ist die Indikation für eine mobile Form der Rehabilitation zu stellen, weil sie dann – entsprechend der gesetzlichen Vorgabe – die am besten geeignete Reha-Form ist.

  • Was behindert die Verankerung und Verbreitung der Mobilen Rehabilitation?

6.1 Einschränkende Indikationskriterien der Rahmenempfehlungen  zur mobilen geriatrischen Rehabilitation (RE) und im Eckpunktepapier für eine mobile indikationsspezifische Rehabilitation

Die restriktive Formulierung der Indikationskriterien ist ein wesentliches Hindernis für die Etablierung der mobilen Rehabilitation. Nach den RE ist die MoRe auf die Fälle reduziert, bei denen eine stationäre oder ambulante Rehabilitation nicht oder nur äußerst eingeschränkt in Frage kommt. Diese restriktive Bestimmung blieb auch in den Eckpunkten für die mobile indikationsspezifische Rehabilitation (2016) bestehen, auch wenn drei weitere Indikations-kriterien hinzukamen. Die mobile indikationsspezifische Rehabilitation konnte sich bis heute nicht realisieren. Nüchtern betrachtet, konnte sich die MoGeRe – wenn auch nur in beschränktem Rahmen – erst entwickeln, nachdem die Krankenkassen in der Versorgungspraxis regelhaft Kostenbewilligungen jenseits der engen Kriterien der RE erteilten.

Die RE nennen das bio-psycho-soziale Modell der ICF als Bezugsrahmen für die mobile geriatrische Rehabilitation, formulieren aber kein Reha-Konzept, das tatsächlich Aktivitäten und soziale Teilhabe als wesentliche Zielsetzungen ins Zentrum stellt. Es sollte sich von selbst verstehen, dass ein Patient die Rehabilitation erhält, die seine subjektiven Ziele berücksichtigt und das beste Reha-Ergebnis in Hinblick auf Aktivitäten und soziale selbstbestimmte Teilhabe erwarten lässt, wie im § 36 Abs.2 SGB IX gefordert. Bei der Neufassung von RE sollte der Prozess der Bedarfsermittlung dargelegt werden, der die spezifischen Problemlagen und die individuelle Zielsetzung der Betroffenen erfasst und bewertet, auf der letztlich die Allokationsentscheidung basiert. Nicht bestimmte Schädigungen und Beeinträchtigungen führen zur Allokationsentscheidung, sondern bestimmte Problemlagen der Patienten. Als Beispiele seien genannt: Patienten mit multiresistenten Erregern (MRE), bei denen die in einer Klinik notwendigen Isolierungsmaßnahmen zur psychischer Dekompensation führen könnten oder Rehabilitanden mit einer Behinderung nach Amputation oder nach schwerer entzündlich rheumatischer Erkrankung, die einen hohen Adaptationsbedarf an ihre nicht behindertengerechte Wohnung aufweisen, oder Rehabilitanden mit Sprachbarrieren, die ihre Angehörigen zum Dolmetschen benötigen.

Diese Beispiele zeigen besonders deutlich, wie problematisch restriktive Indikationskriterien wirken können: sie führen faktisch zum Ausschluss von dieser Leistungsform. Bei einem MRE-Träger kann z.B. die individuelle Bedarfsermittlung ausschlaggebend für die Indikation einer MoRe sein, ohne dass dies bei MRE-Trägerschaft regelhaft der Fall ist.

6.2   Vorbehalte potentieller Träger/Leistungserbringer

Inzwischen ist die MoRe als sinnvoller Baustein z. B. auch innerhalb der geriatrischen Fachverbände und Fachgesellschaften anerkannt und ein gesteigertes Interesse für die MoGeRe ist erkennbar. Jedoch gibt es kaum Impulse in diese Richtung im Feld der indikationsspezifischen Reha. Es lassen sich eine Reihe von Gründen für die geringe Antragszahl für neue Einrichtungen anführen. Untersuchungen gibt es dazu nicht. Die folgenden Ausführungen resultieren aus zahlreichen Diskussionen möglicher Leistungs-erbringer mit Vertretern der BAG MoRe.

6.2.1   Der Zulassungsprozess für eine MoRe zieht sich oft über mehr als ein Jahr, manchmal bis zu 3 Jahren hin – ein Prozess, der große personelle Ressourcen seitens der Leistungs-erbringer erfordert. Die Regelungen in Punkt 5. der „Umsetzungshinweise/Übergangs-regelungen zur MoGeRe“ (Konzeptprüfung im Rahmen des Zulassungsverfahrens) kommen nach wie vor nicht erleichternd zum Tragen.

6.2.2   Der Start einer MoRe ist mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Für die Leistungserbringer fallen Kosten für die Einrichtung von Räumlichkeiten, für Therapie-materialien, für Personalrekrutierung, Anschaffung von PKWs, Öffentlichkeitsarbeit usw. an. Ferner entstehen Verluste, weil Personal vorgehalten werden muss (nach wie vor wird auch die Bereitstellung eines kompletten Behandlungsteam vor dem Start verlangt), ohne dass eine ausreichend große Anzahl von Patienten gewonnen werden konnte. Diese Kosten können durch den laufenden Betrieb nicht wieder erwirtschaftet werden.

6.2.3   Die Vergütungen sind nach wie vor zu gering (auch wenn die letzten Abschlüsse Steigerungen brachten). Der personelle Aufwand für Koordination und Therapieplanung ist hoch; bei durchschnittlich 20 Patienten werden ca. eine 0,9-Stelle (Vertretung eingeschlossen) benötigt. Auch Therapieausfälle können bei dem Patientenkreis der MoRe trotz optimaler Planung nicht vermieden werden, z.B. aufgrund akuter Erkrankung der Patienten, Krankenhausaufnahmen usw. Auch der Ausfall eines Therapeuten bedeutet einen finanziellen Verlust. Alle diese Einnahme- und Kostenrisiken spiegeln sich in der Vergütung nicht wider.

6.2.4   Inhaltliche und strategische Vorbehalte. Neben den finanziellen Risiken sieht die BAG MoRe weitere Hemmnisse darin, dass bspw. Ärzt/innen und Therapeut/innen aus stationären Reha-Einrichtungen sich eine erfolgreiche Rehabilitation in der Häuslichkeit des Patienten nicht vorstellen können oder Geriater aus dem akutgeriatrischen Krankenhausbereich die Schwierigkeiten der Einrichtungen der stationären und der ambulanten geriatrischen Rehabilitation nach § 111 und 111 c SGB V bezüglich Auslastung und Vergütung vorrangig im Blick haben.

6.2.5   Mangelndes Interesse an mobiler indikationsspezifischer Rehabilitation. Mit der Initiierung des Eckpunktepapiers zur mobilen indikationsspezifischen Rehabilitation durch den GKV-Spitzenverband und die Krankenkassenverbände im Jahre 2016 sollte es den bestehenden stationären und ambulanten Reha-Einrichtungen nach § 111 und 111 c SGB V unbürokratisch ermöglicht werden, nach Antrag bei dem zuständigen Krankenkassenverband mobile Rehabilitation in ihrem Indikationsgebiet anzubieten. Nach unseren Informationen ist es nach mittlerweile 4 Jahren zu keiner Gründung gekommen. Hier dürfte mitentscheidend sein, dass sich die Leistungserbringerverbände und die Fachverbände diesem Thema bislang überhaupt nicht zugewendet haben. Der BAG MoRe ist es bislang nicht gelungen, dort eine nähere Befassung mit dem Thema MoRe zu erreichen. Dies hängt auch damit zusammen, dass im Bereich der indikationsspezifischen Rehabilitation die Zahl der Patienten für eine MoRe im Verhältnis zu anderen Patientengruppen relativ gering ist oder dass der in der Regel (schwer-)pflegebedürftige Personenkreis bislang in den meisten Reha-Einrichtungen nicht versorgt wird bzw. auf Grund der Aufnahmekriterien nicht versorgt werden kann. Insofern sind diese Patienten in den vorhandenen Einrichtungen mit ihren Problemlagen nicht wirklich präsent.

  • Forderungen der BAG MoRe zur Weiterentwicklung der mobilen Rehabilitation

Die BAG MoRe hat sich mit der Frage beschäftigt, was geschehen sollte, um die mobile Rehabilitation bedarfsdeckend zu etablieren und zugleich die bisherige Praxis der Indikationsstellung weiterzuentwickeln. Sie fasst ihre Überlegungen in folgenden Forderungen und Anregungen zusammen:

a)         Schaffung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen zur Versorgungsform der mobilen Rehabilitation

Dies bedeutet Zusammenfassung der untergesetzlichen Regelungswerke (Rahmen-empfehlungen, Eckpunkte, Umsetzungshinweise).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 40 SGB V grundsätzlich ein Anspruch auf mobile Rehabilitation bestehen kann. Für einschränkende Indikationskriterien/ Zugangs-voraussetzungen findet sich keine gesetzliche Grundlage. Nach § 40 Abs. 2 SGB V kommt stationäre Rehabilitation nur nachrangig gegenüber der ambulanten Erbringungsform, somit auch nachrangig gegenüber der mobilen Erbringungsform in Betracht. Dies ist zu berücksichtigen.

b)        Allokation, Indikationsstellung

Die Allokation muss sicherstellen, dass mobile Rehabilitation immer dann in Anspruch genommen werden kann, wenn sie die am besten geeignete Form der Rehabilitation darstellt (§ 36 Abs. 2 SGB IX). Dies ist im Rahmen der Reha-Bedarfsermittlung festzustellen. Ist die mobile Leistungserbringung zumindest gleich gut geeignet, so sollte das Wunsch- und Wahlrecht ausschlaggebend für die Zuweisung sein.

Die Indikationsstellung für eine mobile Rehabilitation muss nach dem festgelegten Algorithmus (Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit, Rehabilitationsziele, Rehabilitations-prognose) mit Orientierung auf die Leistungserbringung vor Ort erfolgen. Sie wird besonders dann zu einer Entscheidung für die mobile Rehabilitation führen, wenn z.B.

  • das gewohnte Wohnumfeld als Übungsort notwendig ist,
  • die Therapie in den Alltag der Rehabilitanden integriert werden muss,
  • die notwendige Unterstützung des Rehabilitationsprozesses durch pflegende Angehörige am besten im gewohnten Wohnumfeld gewährleistet ist,
  • kompensatorische oder adaptive Maßnahmen am besten im gewohnten Wohnumfeld zum Erreichen der Reha-Ziele umgesetzt werden können,
  • die Umsetzung von Teilhabezielen am besten im gewohnten Wohnumfeld möglich ist oder
  • die für eine positive Rehabilitationsprognose erforderliche Motivation der Rehabilitanden nur im gewohnten Wohnumfeld gegeben ist – unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts des Rehabilitanden (dies ist beispielsweise bei Bewohnern von Pflegeeinrichtungen häufig der Fall).

Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, das Vorliegen dieser beispielhaft genannten Bedingungen an weitere Voraussetzungen zu knüpfen, wie das Vorliegen spezieller Schädigungen von Funktionen, wie sie nach der Rahmenempfehlung mobile geriatrischen Rehabilitation und dem Eckpunktepapier zur mobilen indikationsspezifischen Rehabilitation vorgesehen sind.

Der besonderen Situation von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen muss Rechnung getragen werden – unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts der Rehabilitanden. Hier ist die mobile Rehabilitation oftmals das einzig zielführende Angebot.

c)         Versorgungsverträge und Vergütung

Verhandlungen zu Versorgungsverträgen müssen dem Ziel dienen, zeitnah die mobile Rehabilitation flächendeckend zu etablieren.

Vergütungsverhandlungen müssen eine auskömmliche Vergütung sicherstellen. Dies schließt auch die besonderen Risiken ein, die bei der Erbringung im mobilen Setting bestehen.

Vergütungsverhandlungen müssen die Besonderheiten der mobilen Leistungserbringung berücksichtigen. Eine Analogie zu Kalkulationen in der ambulanten Rehabilitation ist nicht herstellbar.

d)        Flächendeckender Ausbau bedarfsgerechter MoRe-Versorgungsstrukturen

Zur Sicherstellung eines flächendeckenden MoRe-Leistungsangebots sollten die politisch Verantwortlichen, Kostenträger und Fachverbände darauf hinwirken, dass jedes geriatrische Zentrum auch ein Leistungsangebot der mobilen Rehabilitation vorhält (eigenständig oder durch Kooperation mit einem Leistungserbringer).

Beim Neuaufbau oder Ausbau stationärer geriatrischer Reha-Einrichtungen sollten Anreize für Träger geschaffen werden, wenn sie bereit sind, gleichzeitig eine mobile Rehabilitation mit aufzubauen. Dasselbe sollte auch bei Neuzulassung für ambulante indikationsspezifische Reha-Zentren gelten.

Beispielgebend sind Förderprogramme analog den Regelungen in Bayern bzw. Berlin, die den Aufbau einer MoRe durch eine Anschubfinanzierung motivieren. In Bayern erfolgte die Gründung von fünf neuen MoGeRe, nachdem die Staatsregierung ein Förderprogramm zur Gründung aufgelegt hat.

Durch Modellvorhaben sollte der Aufbau von indikationsspezifischen bzw. fachübergreifenden MoRe gefördert werden.

Ausblick

Nach Auffassung der BAG MoRe bedarf es eines gemeinsamen politischen Impulses des GKV-Spitzenverbandes, der Krankenkassenverbände und der Politik, um Mobile Reha als essentiellen Baustein der rehabilitativen Versorgung regional flächendeckend zu etablieren. In diesem Sinn würden wir es sehr begrüßen, wenn unsere Vorschläge und Forderungen aufgegriffen würden. Als Gesprächspartner stehen wir gerne zur Verfügung.

Die BAG MoRe wird weiterhin für den bedarfsgerechten Ausbau der MoRe werben, MoRe-Gründungsinitiativen unterstützen und dafür den Informationsaustausch fördern, z.B. durch jährlich stattfindende Gründungsseminare und Fachtagungen. Durch ihren Qualitätverbund wird die konzeptionelle Weiterentwicklung der Angebote gefördert.

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